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Der richtige Sitz

  • Melanie Pferzinger
  • 4. Okt. 2018
  • 9 Min. Lesezeit

Eigentlich wollte ich die "Wissensreihe" mit diesem Thema beginnen, aber ich musste diesen Beitrag noch einmal etwas abändern und ich wollte nicht später mit dieser reihe anfangen so habe ich das Thema mit dem Zügel vorgezogen, dann halt erst als zweites.

Egal, nützt ja nichts. Eins ist klar, ohne den richtigen Grundsitz ist keine korrekte Hilfengebung möglich, das heißt, das Pferd kann euch gar nicht verstehen.

Grundsätzlich haben wir ja eigentlich nur einen sehr kleinen Radius innerhalb der Hilfen in dem wir uns bewegen. Natürlich haben wir Schenkel,- Gewichts,- und Zügelhilfen aber diese drei bewegen sich ja im Zentimeterbereich.

Ihr werdet bald feststellen, dass ich sehr viel mit Vergleichen arbeite, damit ihr ein Bild dessen vor Augen bekommt, was ich meine.

Ich habe beispielsweise als Kind Klarinete gespielt. Als ich das Instrument das erste Mal in der Hand hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, wie man mit drei Knöpfe so viele verschiedene Töne aus diesem Instrument locken soll. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass das Zusammenspiel der Lippenbewegung und das Drücken der Knöpfe zu den verschiedenen Tönen führt.

Es war also ähnlich wie beim Reiten. Die Hilfen, die ich der Klarinete gab mussten im Einklang miteinander sein, dann kann man mit ein bisschen Gefühl und Übung unglaublich viele Töne und Nuancen aus diesem eigentlich recht einfach aufgebauten Instrument locken.

Mit dem Pferd ist es ähnlich. Im Zusammenspiel der Hilfen liegt das Geheimnis, dem Pferd mitzuteilen, was es tun soll. Und das alles noch im Minimalbereich.

Wir machen ja keinen Purzelbaum auf dem Pferd um es zum angaloppieren zu bringen, nein wir versuchen das ja mit möglichst kleinen und unsichtbaren Hilfen. Und klein und unsichtbar können unsere Hilfen eben nur sein, wenn einige Voraussetzungen gegeben sind.

Wir brauchen einen geschmeidigen, ausbalancierten Grundsitz.

Der Sitz baut sich um zwei Grundlinien herum auf, die während der Bewegung des Pferdes natürlich nicht statisch und steif, sondern geschmeidig und beweglich sind.

Deshalb kann man in den verschiedenen Phasen des Sitzes auch immer mal eine geringe Abweichung der Linien sehen, im Grundprinzip sollten sie aber als Gerüst vorhanden sein.

Jetzt aber die gute Frage, wie man denn einen geschmeidigen Grundsitz erreicht.

Wenn man das erste Mal auf einem Pferd sitzt ist erstmal alles nur wackelig. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass man seinen Körper irgendwann mal in Einklang mit diesem Wackelding unter einem bringen kann.

Aber glaubt mir, es geht, bedarf aber tatsächlich jahrelanger Übung. Hier kommt dann auch tatsächlich die Komponente Talent, Geschmeidigkeit, Körpergefühl und Körperspannung und ganz viel Übung ins Spiel.

Ich für meinen Teil bin ein großer Freund davon, lieber ein paar Longestunden zuviel als zuwenig zu machen. Die ungefähr 10 Longestunden, die einem Anfänger erstmal gegeben werden reichen in den meisten Fällen dazu aus, sich mit einem braven Pferd vorwärts bewegen zu können ohne gleich aus dem Gleichgewicht zu kommen und abzustürzen. Sie reichen aber lange nicht dazu aus, reiten zu können, dem Pferd selbständig vermitteln zu können, was es tun soll, außer man wäre ein Hypersupertalent, das sein letztes Leben schon auf dem Pferd verbracht hat.

Auch und gerade für Reiter, die schon frei reiten, aber hier und da noch ein Problem haben, empfehle ich immer wieder gerne Sitzübungen an der Longe. Hier kann man sich, ohne das Pferd lenken, bremsen und treiben zu müssen einfach mal auf seinen Sitz konzentrieren, euer Reitlehrer hat sicherlich viele hilfreiche Tipps, wie ihr genau an euren Baustellen arbeiten könnt. Sitzübungen sind für alle Reiter geeignet und ihr werdet beim nächsten Reiten sicherlich merken, wieviel euch so eine kurze Workouteinheit gebracht hat.

Was mir beim Erlernen des Sitzes immer ganz wichtig ist, ist, dass die Reiter nicht verspannt sind. Grundsätzlich sitzt man ja auf das Pferd und will alles richtig machen. Das führt aber oft dazu, dass man sich einfach steif macht. Klar, man will ja die Beine ruhig halten, die Hände auch, der Blick muss geradeaus sein usw, usw. Hier darf man ein positive Körperspannung, die notwendig ist, nicht mit Verspannung verwechseln.

Ihr werdet das aber nicht alles gleichzeitig hinbekommen. Das führt dann dazu, dass man sich steif auf das Pferd setzt und krampfhaft versucht alles ruhig zu halten. Das wird nicht funktionieren.

Der geschmeidige Grundsitz entsteht ja aus der Bewegung mit dem Pferd. Hierfür ist unsere Mittelpositur der Dreh,- und Angelpunkt.

Aus der korrekten und geschmeidigen Position der Mittelpositur wird der Dressursitz aufgebaut. Ihr solltet dazu im tiefsten Punkt des Sattels sitzen und beide Gesäßknochen fühlen. Gerade an der Longe rate ich gerne mal dazu die Augen zu schließen und einfach nur in die Mittelpositur hineinzufühlen. Ohne diesen Dreh,-und Angelpunkt werdet ihr weder Kontrolle über eure Beine noch über eure Hände bekommen. Also nehmt euch die Zeit und das Gefühl dafür, wie ihr im Sattel sitzt.

Die häufigsten Problem in der Mittelpositur entstehen aus Steifheit. Vor lauter Aufrichten und gerade sitzen wollen hält man sie gerne steif und denkt, dann bekommt man alles andere auch ruhig. Das ist der größte Fehler.

Die Mittelpositur nimmt die Bewegung des Pferdes auf, sie ist praktisch die Verbindung zum Pferd. Machen wir uns steif, können wir der Bewegung des Pferdes nicht mehr folgen, die weitere Folge davon ist, dass sich das Pferd ebenfalls steif macht um den unangenehmen Druck im Rücken auszugleichen.

Wir sollten versuchen aus der Mittelpositur heraus die Bewegung des Pferdes zu erfühlen und uns einfach mitnehmen zu lassen. Ihr müsst weder wie wild den Hintern nach vorne schieben, noch sollt ihr seitlich rechts und links hin und herschaukeln. Ihr nehmt einfach im Sattel Platz und fühlt, wie euch das Pferd mitnimmt. Das ist von Pferd zu Pferd je nach Bewegungsablauf verschieden und der Reiter sollte versuchen sich auf das jeweilige Pferd einzufühlen.

Und das geht definitiv am besten an der Longe. Da habt ihr nichts anderes zu tun, als zu fühlen.

Man kann die Zügel loslassen, man kann aus den Bügel gehen und man muss weder treiben noch lenken. Nur fühlen. Es gibt zahlreiche Übungen, die man ausführen kann, um geschmeidiger zu werden. Das fängt schon bei einfachen Gymnastikübungen auf dem Pferd an, von denen euer Reitlehrer sicherlich einige in petto hat.

Eine ebenso gute Möglichkeit, seine Hüfte in Bewegung zu bringen sind für mich die Franklin-Bälle.

Ich kenne viele Reiter, die einfach keinen Kontakt zum Sattel gefunden haben, die Bälle, bzw. die Rolle während der Anwendung ganz furchtbar fanden, aber danach teilweise einen immensen Effekt hatten.

Es lohnt sich tatsächlich das auszuprobieren.

Vor allem wichtig beim Reiten an der Longe ist aber für mich das Reiten ohne Zügel. Um später eine weiche Verbindung zum Pferdemaul halten zu können ist es oberstes Gebot, dass wir einen von der Hand unabhängigen Sitz haben. Das heißt auf Deutsch ganz einfach, dass wir keinen Zügel zum festhalten und ausbalancieren brauchen.

Macht euch mal den Spaß, sitzt euer Pferd mal aus und lasst den Zügel lang. Bleibt ihr unverändert ruhig sitzen, dann seid ihr auf dem richtigen Weg. Klappt das nicht, ist allerhöchste Zeit über ein paar Sitzlongestunden nachzudenken.

Heutzutage fällt einem immer wieder auf, dass die Reiter in Sätteln sitzen, die sie in einen vorgeformten Sitz setzen, den sie kaum verändern können und wollen. Wenn man nicht sitzen kann, gibt es einfach einen Sattel mit noch mehr Pauschen, oder, was ich persönlich ja ganz speziell finde und regelmäßig die Augen verdrehe, ist, wenn sich die Reiter mit Satttelseife am Sattel festkleben. Hallo ? Vorne die Kandare in der Hand und hinten sich festkleben müssen, das geht für mich gar nicht.

Das Bein liegt locker hinter der Pausche, wird aber nicht in diese Form gepresst. Das Gesäß passt zum 17″ Sattel, wird nicht eingeengt, ist aber vorne und hinten begrenzt. Das Gesäß sitzt im tiefsten Punkt des Sattels. Dadurch wird die korrekte Ober, und Unterschenkellage begünstigt .

Aus der Mittelpostitur heraus arbeiten wir uns gedanklich nun erstmal nach unten in die Beine.

Die korrekte Bügellänge kombiniert mit dem passenden Sattel gibt die Lage der Ober,- und Unterschenkel vor. Ich gehe in diesem Blog jetzt davon aus, dass im Dressursattel geritten wird. Im Vielseitigkeits, – oder Springsattel wird die Beinlage natürlich allein durch die andere Form des Sattelblattes verändert, das soll aber hier jetzt nicht das Thema sein.

Ich persönlich bin ein „Langbügelreiter“. Meine Bügel sind eher immer ein Loch zu lang als zu kurz.

Ich kann nicht genau sagen wieso aber ich fühle mich mit langen Bügeln wohle, sie sind jetzt nicht zu lang das ich im Strecksitz drauf sitze, aber sie sind nunmal lang. Ich mag es garnicht wenn ich mit kurzen Bügel reiten soll, beim Springen sind sie mir auch immer fast zu kurz obwohl sie für Springbügel eigentlich schon fast zu lang seien.

Des Öfteren sieht man allerdings das Problem der zu langen Bügel. Schon in der Ponygruppe kommen Eltern und Kinder an, die die Bügel extrem lang schnallen, weil sie denken, im Dressursitz müsste das Bein überstreckt sein.

Das führt aber unweigerlich zum Spaltsitz, das heißt, das Gesäß sitzt nicht mehr im Sattel, sondern man sitzt auf dem überstreckten Oberschenkel, sucht mit den Zehenspitzen nach den Bügeln und kann nicht mehr über die Mittelpostitur mitschwingen, weil der Winkel nicht mehr stimmt.

Im Gegensatz dazu führt der zu kurz verschnallte Bügel dazu, dass man das Knie hochzieht, und im Stuhlsitzt sitzt. Es ist am Reiter und am Reitlehrer den goldenen Mittelweg zu finden.

Der korrekt verschnallte Bügel ist wichtig für die Lage des Beines. Wenn man den Fuß aus dem Bügel nimmt, sollte der Bügel auf Höhe des Fußgelenks sein. Man sollte die Zehenspitze leicht anheben müssen, um den Bügel aufzunehmen. Das Knie hat eine leichte Winkelung, ist auf keinen Fall durchgestreckt. Als Folge davon liegt der Oberschenkel locker am Sattel, das Knie hinter der Pausche, ohne zu klemmen. Der Unterschenkel liegt als treibender Schenkel ca. mit der Vorderkante des Stiefels an der Hinterkante des Gurtes und liegt ebenfalls locker am Pferd.

Der Bügel liegt unter dem Fußballen, aus dem geschmeidigen Fußgelenk federt der Absatz locker tief.

Auch das ist etwas, was man gut an der Longe üben kann.

Klemmt der Reiter mit den Schenkeln wird (fast) jedes Pferd mit Flucht reagieren. Die meisten Reiter wissen dann gar nicht warum, weil sie nicht fühlen, dass sie sich festklemmen. Aber stellt euch mal vor, wie unangenehm es für das Pferd ist, wenn es so eine Wäscheklammer auf dem Rücken hat, die immer mehr zumacht.

Aus der Mittelpostitur heraus bewegen wir uns nun wieder nach oben.

Der Oberkörper wird unser nächstes Thema sein.

Der Oberkörper sollte aus der Mittelpositur heraus aufrecht sein. Ohne ins Hohlkreuz zu kommen ist der Oberkörper aufgerichtet.

Wir denken dabei wieder an die Linie, die ich euch ganz oben aufgezeichnet habe. Schulter- Hüfte- Absatz liegen in einer Linie.

Der aufgerichtete Oberkörper inklusive der zurückgenommenen Schulterblätter ist der Grundbaustein für das Einsetzen unserer Gewichtshilfen. Nur aus einem aufgerichteten ( nicht verspannten) Oberkörper heraus können Gewichtshilfen gegeben werden. Ihr werdet sehen, je mehr ihr über die Gewichtshilfe arbeiten könnt, desto weniger liegt der Fokus auf den Schenkel,- und Zügelhilfen, da sich die Gewichtung besser auf die drei Hilfen verteilt. Ohne den korrekten Oberkörper nehmt ihr euch selbst fast die komplette Gewichtshilfe weg, bzw. setzt sie falsch ein.

Die Oberarme hängen locker am Oberkörper herunter. Würdet ihr die Ellbogen anklemmen, könnet ihr die Rippen berühren. Wir strecken weder die Arme nach vorne durch, noch nehmen wir den Ellbogen hinter den Körper. Gleichzeitig sollte aber der Druck des Zügels nicht in Schulter und Ellbogen ankommen.

Wenn das so ist, solltet ihr über eure Einwirkung der Zügelhilfen nachdenken. Hier sind wir bei Thema Hand.

Der Grundsitz sollte unabhängig von der Hand sein das heißt im Klartext ganz einfach, dass ihr auch nicht am Zügel festhaltet und auch nicht am Zügel in den Sattel zieht. Ihr müsst jederzeit die Hand nach vorne bewegen können, ohne dabei aus dem Gleichgewicht zu kommen. Auch dafür sind Sitzlongen sinnvoll, da man sich hier immer wieder auf den Sitz konzentrieren kann, ohne Zügel in der Hand zu halten.

Der nächste Punkt sind die aufrecht getragenen Händen mit einem beweglichen Handgelenk.

Denkt immer dran, jede kleine Unsicherheit in der Handhaltung kommt 1 zu 1 am Pferdemaul an.

Die Zügelfäuste werden auf gleicher Höhe getragen, und sind ca. eine Handbreit auseinander. Wichtig ist auch, dass die Fäuste geschlossen sind, um ein Durchrutschen der Zügel zu vermeiden. Ein guter, passender Handschuh, der Gefühle in den Händen zulässt, kann euch dabei sehr viel helfen.

Und als letztes Körperteil, das ich noch erwähnen möchte, bevor ich einen über 3000 Wörter langen Blog geschrieben habe. Ist natürlich noch der Hals und der Kopf zu erwähnen.

Der Kopf wird aufrecht getragen, die Blickrichtung geht dahin, wo man als nächstes hinreitet. Das heißt, der Hals ist beweglich aber aufrecht. Er schiebt sich nicht wie bei einer Schildkröte nach vorne und ebenfalls legen wir den Kopf nicht schief. Am besten ist es, wenn ihr einfach ab und zu mal den Kopf bewegt, den Rundumblick über den Reitplatz behaltet und gleichzeitig immer den nächsten Punkt anschaut, den ihr erreichen wollt.

So, jetzt habe ich aber genug über den Dressursitz geschrieben. Dazu gibt es nur noch zu sagen, dass der Sitz nicht in Stein gemeißelt ist. Kein Reiter wird und soll steif und statisch auf dem Pferd sitzen, im Gegenteil, ihr geht in der Bewegung des Pferdes mit und so entstehen gerade im Serienbild bei Fotos auch immer wieder Bilder, die im dem Moment nicht perfekt sind in der Phase aber völlig in Ordnung sind.

Wichtig ist, dass das Grundgerüst stimmt und ihr immer wieder bereit seit an eurem Sitz zu arbeiten, sei es durch Reitunterricht, Sitzübungen, Videokorrektur und sonstigen Möglichkeiten sich selbst auf den Prüfstand zu stellen und zu verbessern.


 
 
 

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