Wir Reiter sind ganz anders - Gastbeitrag
- Gastbeitrag
- 22. Sept. 2018
- 5 Min. Lesezeit
Wer kennt das nicht?
Immer wieder kommt man als Reiter in etwas für uns völlig normale, für den Rest der Menschen in etwas eigenartige Situationen.
Ich denke, das kennen wir alle.

Eine der alltäglichen Situationen ist das Einkaufen im Supermarkt. Nach dem Stall noch kurz reingesprungen, was zum Essen besorgen- natürlich in Reithose. Ich weiß schon, dass es Leute gibt, die sich vorher im Stall umziehen, ich gehöre nicht dazu. Also raus aus dem Auto, schauen, daß auf dem Parkplatz nicht noch die Bandagen, die zum Waschen im Kofferraum sind aus dem Auto purzeln, schnell die leeren Flaschen noch mitgenommen und ab ins Getümmel.
Manchmal denke ich: “ Warum schauen die denn so?“, bis ich mal an mir herunterschaue und Bescheid weiss. Schon früher, als ich noch Volllederreithosen trug, bestenfalls mit einer anderen Leder,- als Stofffarbe, dazu Karostrümpfe waren die Blicke Gold wert. Inzwischen sind wir doch farblich etwas dezenter unterwegs und mit einer Jeansreithose fällt man nicht mehr ganz so auf. Kniestrümpfe sind inzwischen, wenn man sie überhaupt trägt, einfarbig und nicht mehr ganz so knallig.
Aber schon alleine der Grip an der Reithose reicht aus, um die Blicke auf sich zu ziehen. Ist schon ganz witzig, wenn auch hier wieder die Blicke am Knie hängen bleiben und man die Fragezeichen in den Gesichtern der Mitmenschen sieht. Die kleinen Kinder sind besonders witzig. Da schallt dann doch mal die Frage durch den Laden: „Mama, warum hat die Frau so eine komische Hose an?“ Tja, da müssen wir halt durch, wir Reiter sind halt anders als ihr Menschen. Getoppt wird das Auffallen durch das Outfit nur noch durch den Geruch, wenn kurz vorher auch noch der Hufschmied im Stall war. Da ist man dann an der Kasse doch mal schnell dran. 😉
Eine weitere Situation entsteht dann im Winter. Eingemummelt in mehrere Schichten, wir Reiter nennen das Zwiebellook, walzen wir nahezu bewegunsunfähig durchs Leben. Weiß ja keiner, dass wir an diesem Tag schon gefühlte 100 mal die Jacke an und ausgezogen, die Mütze auf und abgezogen, gegen den Helm getauscht, den Schal neu befestigt haben und der Sabber auf dem Kragen der Jacke von unseren lieben Kuscheltieren, die sich am liebsten im Kunstfellkragen verstecken tut sein übriges. Eine Kassiererin fragte mich mal im Frühjar an den ersten wärmeren Tagen: “ Wie haben sie das nur geschafft so schnell, so viel abzunehmen?“ Ganz einfach, ich habe eine Weste und eine Jacke ausgezogen. Ja, den Zwiebellook kennt halt nicht jeder. Reiter schon.

Zwiebellook und Reiterfrisur 😛
Ein Frisörbesuch hat auch was. Das ist immer besonders witzig. Die netten Frisösen möchten immer gerne anfangen mich zu beraten. Wir könnten das so oder so machen, dann föhnen Sie das morgens schön hin usw. Pustekuchen, ich muss sie immer wieder deprimieren indem ich ihnen sage, dass sich eine Föhnfrisur bei mir nicht lohnt. Meine Ansage ist immer: “ Machen sie die Haare so, dass ich einen Zopf machen kann, also keinen Stufenschnitt, sonst halten die Haare ja nicht im Zopfgummi.“ Ich versuche immer noch zu erklären, dass ich mehrfach täglich den Helm auf und absetze, bei Wind und Wetter auf dem Platz stehe, die Haare zwischendurch auch mal nass werden usw. Die Enttäuschung ist ihnen dann schon immer anzumerken, wenn sie mich frisch geföhnt und stolz auf ihr Werk aus dem Laden schicken, und ich als erstes das Haargummi in die Hand nehme und ihre Arbeit gleich mal zerstöre. Sorry hiermit an alle Frisösen, die immer ihr Bestes geben.
Die nächste Situation erlebt man in der Autowerkstatt. Oft habe ich Montag morgens einen Termin zur Inspektion. Dann stelle ich das Auto Sonntagabends in der Werkstatt ab. Nun hätten die ja immer gerne ein frisch geputztes Auto, also eigentlich hätte ich den Ehrgeiz ihnen ein geputztes Auto hinzustellen. Aber wie soll das gehen, wenn man Sonntags noch auf dem Turnier war, im Stoppelacker geparkt hat und natürlich Sonntag abends keine Waschanlage offen hat. Mein Werkstattmeister hat sich inzwischen dran gewöhnt und zieht auch schon keine Sitzüberzüge mehr über den Fahrersitz, damit er das Auto nicht schmutzig macht. Manchmal bin ich am Staubsauger an der Tankstelle und sehe wie andere Menschen ( eben nicht Reiter) ihr Auto putzen. Ich denke immer, diese Autos sind vor dem putzen sauberer als meins nach dem putzen. Das ist wohl das Schicksal eines landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugs.
Als ich meinen KIA verkauft habe und der Autohändler den Touareg gesehen hat, meinte er ganz mitleidig mit dem armen Auto: “ Aber auf den passen Sie besser auf, gell?“ Wenn der wüsste, was der Touareg alles leisten muss, was in ihm transportiert wird, er würde wohl in Ohnmacht fallen.
Auch ein Freibadbesuch im Sommer ist für Reiter und die Mitmenschen ein einmaliges Erlebnis. Wer nicht gerade unter der Sonnenbank nachhilft um eine einheitliche Bräune zu erreichen gleicht in Badekleidung doch eher einem Streifenhörnchen. Angefangen bei den knackbraunen Armen kommt schon am Übergang zur Schulter der extreme Cut. Die Beine sind alternativ käseweiss oder haben wie bei mir einen Abdruck vom Schuh, dann sind sie einigermassen braun und am Übergang zur kurzen Hose kommt wieder ein toller und nicht zu übersehender Streifen. Super, das ist die beste Möglichkeit um im Bikini alle Blicke auf sich zu ziehen.
Und die beste Gruppe der Mitmenschen, die über uns doch nur den Kopf schütteln sind sowieso die Ärzte. Nachdem wir ja sowieso nur im absoluten Notfall eine Arztpraxis aufsuchen. ( Wer tut das schon gerne in Reitkleidung) bleibt einem ja manchmal bei Unfällen nichts anderes übrig. Ich selbst habe von meinem Unfall nur noch in Erinnerung, dass sich die Sanis darüber unterhalten haben, dass jetzt der ganze RTW voll Sand ist und sie ihn erstmal putzen müssen. Sorry im Nachhinein dafür. Wenn man Ärzte nach einem Unfall fragt, wann man wieder reiten darf, beginnen diese schon zu schmunzeln.
Am liebsten würden sie uns raten nie wieder auf so ein gefährliches Tier zu sitzen, aber sie wissen schon ganz genau, dass sie Reiter so schnell wie möglich wieder draufklettern. Mit einem Schmunzeln im Gesicht sagen sie dann immer, wie lange man Reitpause machen soll , wohlwissend, dass sich die wenigsten daran halten werden. Ich glaube, dass sie deshalb die Zeit, die man pausieren sollten gleich etwas länger angeben.
Auch in der Apotheke wird regelmäßig über Reiter geschmunzelt. Wenn vor dir einer in der Schlange steht, der die nette Apotherkerin fragt, wielange der Hustensaft denn Doping ist, der kann sich sicher sein, dass er einen Reiter vor sich hat, den den Saft nicht für sich, sondern fürs Pferd braucht. Die meisten Apotheker sind daran aber schon gewöhnt und wundern sich nicht mehr.
So wie diese würden mir, und euch sicherlich auch, noch viele weitere Situationen einfallen, bei denen sich Reiter von normalen Menschen unterscheiden. Am Ende bleibt nur die Aussage meines Mannes, der kein Reiter ist und die nicht ganz unwahr ist “ Ihr Reiter habt doch alle eine Macke“ Tja, so ist es halt, wir leben ganz gut mit unserer Macke und würden wohl auch im nächsten Leben wieder Reiter werden.
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